Cony Welcker - Verlassen-von allen guten Geistern


Freie Bildhauerin und Bildhauermeisterin



Verlassen - von allen guten Geistern



Das Boot schwimmt herum
Jemand paddelt
Fährt ruhig den See hinaus
Kleine Wellen platschen an die Bootswand
Der Frühnebel färbt die Stimmung grau

Noch ist alles möglich
Der Himmel könnte aufreißen
Und es könnte ein wunderbarer Tag werden
Mit vielen wunderbaren Wundern
Mit denen keiner gerechnet hätte

Oder er könnte noch grauer werden
Alle Wolken dieser Welt kommen herbei
Um den Himmel schwarz zu färben
Und die Luft dick zu machen
Die irgendwann explodiert
Und ihre Tränen auf den Erdboden regnet

Oder es ist beides
Ein paar Wolken
Ein bißchen Sonne
Ein paar wunderbare Wunder
Und ein paar Tränen vom Himmel

Das Boot schwimmt weiter
Das Gräuliche des Morgens verschwindet
Aber zähe Schleierwolken hängen immernoch rum
Sie geben den Himmel nicht frei
Und bremsen verhement die Stimmung

Die kleinen Wellen des Bootes plätschern jetzt leise an andere Boote
Die sich gerade dazugesellen
In manchen sitzt einer
In anderen sitzen 2 Bootsfahrer

Sie fahren zügig
Die Bootsfahrer rudern des Ruderns wegen
Die Stimmung dockt nicht an bei ihnen
Sie huscht wie eine Wolke vorbei
Sie berührt sie nicht einmal

Das kleine Boot freut sich
Es ist nicht mehr alleine, denkt es
Da sind andere wie ich !
Oh wie schön ! Wir könnten zusammen den Morgen betrachten
Meinentwegen auch den Mittag
Oder auch den Abend

Jemand rudert das kleine Boot hinüber zu den anderen
Die Paddel machen mächtig Wellen
Es plitscht und platscht vor Freude
Der Himmel reißt jetzt auf
Die Sonne lacht

Das kleine Boot kommt an
Die Ruderer rudern
Und diskutieren über Rudertechniken
Sie sehen nicht das kleine Boot
Es ist zu transparent

Sogar die Stimmung ist beleidigt
Sie wird überhaupt nicht beachtet
Gibt sie sich doch allergrößte Mühe
An diesem Tag
An dem die Wunder möglich sind

Aber die Ruderer rudern nur
Sie machen derartig große Wellen
Sie spritzen überall mit Wasser herum
Und sind einfach nur doof
Sie sehen nix

Das kleine Boot überlegt
Was es wohl falsch macht
Weil es keiner bemerkt
Weil es keiner begrüßt
Obwohl es sich doch so freut
Und überall „Guten wunderbaren Morgen !“ sagt

Es wird ganz traurig
Aus Solidarität und aus Dankbarkeit,
weil das kleine Boot sie beachtet,
kommen die dicken Wolken herbei
und weinen lauter kleine Tränen
mit dem traurigen Boot

sie weinen und weinen
als ob sie um die Wette weinten
sie plärren wild und schreien auch schonmal zwischenrein
sie holen alles raus
sie geben alles
sie weinen was das Zeug hält
aus ihrer tiefsten Wolkenseele heraus
und aus tiefster Boots-Seele heraus

und sie finden es so toll
daß sie nicht alleine weinen müssen
und daß sie sich voller Inbrunst ihren wunderbaren Tränen hingeben dürfen
sich darin ergießen
ganz und gar zerfließen
sich winden
den Kopf nach hinten schmeißen
den Mund weit aufreißen
und den wehen Schrei in den freien Himmel stoßen
die Augen geschlossen verkniffen
die Tränen laufen lassen in Bächen,
die die Seele wie mit der Wurzelbürste reinigen

die anderen Boote kriegen dann tatsächlich auch mal was mit
sie schauen kurz hoch
und unterbrechen ihre beschissene wichtige Ruderei
die Ruderer gucken sich äußerst blöd fragend an
und sehen dabei etwas debil aus
Ruderer eben

Aber sie schnallen nix
Sie kennen keine Stimmung
Sie sind nicht bekannt mit den Wolken
Sie haben sich nie Zeit genommen
Sind immer nur gerudert

Bis die Wolken irgendwann auch keinen Bock mehr hatten
Und sich dachten :
„Dann rudert doch ihr Idioten, ihr Flachwichser,
ihr Langweiler, ihr Schwachmaten...
Wolken zu ignorieren ist wie Geister vertreiben.
Schaut nur, was ihr davon habt !

Ihr werdet nie die Wunder sehen,
die die guten Geister bringen.

Ihr werdet nie die Tränen weinen,
die die Seele wie mit der Wurzelbürste reinigen.

Ihr werdet nie das Leben fühlen.

Ihr werdet von allen guten Geistern verlassen umherschippern.

Das kleine Boot winselt noch ein wenig
Und fährt in den klaren Morgen,
an dem jetzt auch die Sonne wieder lacht
und an dem wie jeden Tag alle wunderbaren Wunder möglich sind.

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